Die Unart des Nachverhandelns: Warum Beratungsmandate kein Basar sind

Sven von Bismarck, 16. Mai 2025

Nachverhandlungen in Beratungsmandaten – ob kurz vor Vertragsunterzeichnung oder nach Projektabschluss – sind mehr als ein Störfaktor. Sie sind Ausdruck eines fehlgeleiteten Selbstverständnisses von Zusammenarbeit. Dieser Beitrag beleuchtet zwei typische Ausprägungen dieser Praxis und ruft zu mehr Verbindlichkeit, Fairness und Haltung auf – auf beiden Seiten des Tisches.

In einem professionellen Umfeld ist Verlässlichkeit keine Option, sondern eine Grundvoraussetzung. Besonders im Beratungsgeschäft, das auf gegenseitigem Vertrauen, Leistung und Verantwortung beruht, darf es keinen Raum für nachträgliche Vertragsdiskussionen geben, wenn bereits Einigkeit herrscht oder Leistungen vollständig erbracht wurden.

Dennoch begegnet man immer wieder zwei konkreten Formen des Nachverhandelns, die klar benannt und kritisch eingeordnet werden müssen:

  1. Nachverhandlungen kurz vor Vertragsabschluss – trotz vorheriger Einigung.
  2. Nachverhandlungen nach Projektende – zumeist in Bezug auf Schlussraten oder erfolgsabhängige Komponenten.

Beide Varianten untergraben den professionellen Standard. Sie widersprechen dem Prinzip der Ehrbarkeit in der Geschäftswelt, auf dem nachhaltige Zusammenarbeit fußt.

 

1. Nachverhandeln kurz vor der Unterschrift

Inhaltlich und wirtschaftlich ist man sich einig, die Vertragsdokumente sind vorbereitet – und dann wird, oft ohne sachliche Begründung, nochmals ein Preisnachlass verlangt.

Diese Vorgehensweise ist nicht Ausdruck von Verhandlungsgeschick, sondern von strategischer Verunsicherung oder bewusster Machtausübung. Und sie sendet eine klare Botschaft: Verlässlichkeit ist verhandelbar.

Professionell ist das nicht. Es ist taktisch – und riskant.

  • Es beschädigt die Vertrauensbasis, noch bevor die Zusammenarbeit beginnt.
  • Es entwertet die zuvor geführten Gespräche und die investierte Vorarbeit.
  • Es stellt die Partnerschaft infrage, bevor sie begonnen hat.

Ein solches Verhalten widerspricht den Prinzipien des ehrbaren kaufmännischen Handelns, das auf Integrität, Berechenbarkeit und Respekt beruht.

 

2. Nachverhandeln nach Projektabschluss

Noch gravierender ist der Versuch, nach erfolgreicher Leistungserbringung Vergütungsbestandteile neu zu verhandeln oder zurückzuhalten. Besonders betroffen sind projektbezogene Erfolgsboni oder die letzte Rate eines Festhonorars.

Die typischen Argumentationen:

  • „Wir hätten uns mehr Output erhofft.“
  • „Unsere wirtschaftliche Situation ist aktuell angespannt.“
  • „Lassen Sie uns da nochmal draufschauen.“

Doch eines ist klar: Leistung verpflichtet zur Gegenleistung. Die spätere Bewertung des Mehrwerts ersetzt nicht die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung.

Nachverhandeln nach Abschluss ist kein Ausdruck legitimer Kritik – es ist ein Verstoß gegen das Prinzip der Vertragstreue.

 

Warum dieses Verhalten inakzeptabel ist

Beide Varianten des Nachverhandelns haben eines gemeinsam: Sie untergraben das Fundament professioneller Zusammenarbeit.

Die Folgen:

  • Vertrauen geht verloren.
  • Berater verlieren die Motivation, vollen Einsatz zu bringen.
  • Gute Partner wenden sich ab – leise, aber dauerhaft.

Solches Verhalten ist nicht clever – sondern kurzsichtig. Es stellt kurzfristige Preisoptimierung über langfristige Beziehungspflege und beschädigt die eigene Reputation im Markt.

 

Vertrauen ist kein taktisches Gut – sondern Haltung

Wer Beratung beauftragt, beauftragt nicht nur Fachwissen, sondern auch Verantwortung, Vertraulichkeit und Loyalität. Das verlangt auf der Gegenseite nach Fairness, Verlässlichkeit und Klarheit.

 

Für Auftraggeber gilt:

  • Verträge sind verbindlich – auch dann, wenn der wirtschaftliche Wind sich dreht.
  • Gute Berater arbeiten nicht für den niedrigsten Preis, sondern für das beste Ergebnis.

Für Berater gilt:

  • Klare Vertragsgestaltung schützt vor Missverständnissen.
  • Professionelles Standing bedeutet auch, Grenzen zu setzen – mit Haltung und Substanz.
     

Fazit

Nachverhandeln im beschriebenen Sinne ist kein Kavaliersdelikt. Es ist eine Verletzung der professionellen Standards, die unsere Branche, unsere Arbeit und unsere Beziehungen tragen.

Deshalb braucht es Klarheit – und Haltung.

  • An Auftraggeber:
    Wer partnerschaftliche Beratung will, muss Verlässlichkeit leben – nicht nur fordern.
  • An Berater:
    Wer auf Augenhöhe beraten will, muss auch bereit sein, Haltung zu zeigen, wenn diese Augenhöhe verletzt wird.

Denn eines ist sicher: Beratung ist kein Basar. Und Ehrbarkeit ist nicht verhandelbar.
 

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