Wer in China Geschäfte macht, erlebt keine einheitliche Wirtschaftsregion – sondern ein Kontinuum aus Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Aus meiner Erfahrung heraus sind es nicht nur wirtschaftliche Fakten, sondern vor allem kulturelle Feinheiten, die über Erfolg oder Scheitern entscheiden.
Zentralchina: Rituale, Rangordnung und Respekt
Mein erster längerer Aufenthalt führte mich nach Zentralchina – weit entfernt von den internationalen Drehkreuzen. Die Stadt war industriell geprägt, die lokale Regierung eng in wirtschaftliche Initiativen eingebunden.
Das Galadinner war mehr als ein gesellschaftlicher Anlass: Es war Bühne, Ritual und Verhandlung in einem.
Die Sitzordnung spiegelte die Hierarchie wider – auf Gastgeber- wie auf Gästeseite. Trinksprüche („Ganbei!“) wurden nicht beiläufig ausgesprochen, sondern mit Blickkontakt, Taktgefühl und der richtigen Dosis Ernsthaftigkeit zelebriert. Dabei wurde nicht über Verträge gesprochen – sondern über Familie, Herkunft, Werte. Es ging um persönliche Verankerung. Rückblickend war das ein Soft-Screening: Wer bist du wirklich? Kann man mit dir langfristig arbeiten?
Solche Abende folgen Regeln, die sich nicht sofort erschließen – und genau deshalb sind sie so wertvoll. Sie sind kein Nebenschauplatz, sondern Kern des Beziehungsaufbaus.
Peking: Zwischen Verhandlung und Opernloge
In der Hauptstadt war der Ton geschäftlicher – aber nicht weniger vielschichtig. Die Meetings mit unseren chinesischen Partnern waren gut vorbereitet, strukturiert – aber nie kalt oder rein sachlich. Es wurde durchaus erwartet, dass man zwischen den Zeilen liest.
Zwischen zwei Meetingtagen stand ein gemeinsamer Besuch in der Pekingoper auf dem Programm. Für europäische Teilnehmer vielleicht überraschend – für unsere Gastgeber ein bewusst gesetztes Signal: Wir zeigen euch, was uns prägt.
Gesprächspartner hören erst einmal aufmerksam zu. Direkte Konfrontation wird vermieden, Einwände kommen subtil. Es zählt, wie etwas gesagt wird – nicht nur was.
Die Kunst besteht darin, Pausen auszuhalten. Schweigen ist kein Desinteresse – es ist Teil des Dialogs.
Shanghai: Business-Speed mit kulturellem Takt
Shanghai wirkte im Kontrast fast wie eine Parallelwelt: urban, international, effizient. Und doch galt auch hier: Wer zu schnell zum Punkt kam, übersah wichtige kulturelle Erwartungen.
Die Meetings waren temporeich, auf Augenhöhe – aber es gab klare implizite Codes:
Westliche Kulturen setzen oft zu stark auf Vertragslogik setzen, während in China Vertrauen Vorrang hat. Der Vertrag ist nur ein Startpunkt – nicht die Absicherung.
Hongkong: Internationaler Takt, lokale Tiefe
Hongkong fühlte sich anders an – dynamischer, westlicher, fast vertraut. Doch auch hier gab es feine kulturelle Unterschiede: Zwar war Englisch die Geschäftssprache, doch der kulturelle Takt blieb asiatisch geprägt.
Effizienz und Höflichkeit standen nicht im Widerspruch – sondern waren zwei Seiten derselben Medaille. Wer ungeduldig wurde, wurde schnell als unsensibel wahrgenommen.
Fünf persönliche Erkenntnisse:
Fazit:
China hat mich nicht nur als Markt beeindruckt – sondern als Erlebnisraum.
Zwischen der Geduld eines Provinzdinners und der Präzision einer Shanghaier Präsentation liegt eine Welt kultureller Komplexität. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, entdeckt mehr als einen Absatzmarkt – er entdeckt eine andere Art des Denkens in Geschäftsbeziehungen.
Und vielleicht ist genau das die eigentliche Kunst im internationalen Business:
Nicht nur verkaufen zu wollen, sondern zu verstehen, warum und wie jemand kauft.
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