Business mit China: Zwischen Provinz und Metropole, Etikette und Effizienz.

Sven von Bismarck, 06. Juni 2025

Wer in China Geschäfte macht, erlebt keine einheitliche Wirtschaftsregion – sondern ein Kontinuum aus Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Aus meiner Erfahrung heraus sind es nicht nur wirtschaftliche Fakten, sondern vor allem kulturelle Feinheiten, die über Erfolg oder Scheitern entscheiden.

 

Zentralchina: Rituale, Rangordnung und Respekt

Mein erster längerer Aufenthalt führte mich nach Zentralchina – weit entfernt von den internationalen Drehkreuzen. Die Stadt war industriell geprägt, die lokale Regierung eng in wirtschaftliche Initiativen eingebunden.

Das Galadinner war mehr als ein gesellschaftlicher Anlass: Es war Bühne, Ritual und Verhandlung in einem.

Die Sitzordnung spiegelte die Hierarchie wider – auf Gastgeber- wie auf Gästeseite. Trinksprüche („Ganbei!“) wurden nicht beiläufig ausgesprochen, sondern mit Blickkontakt, Taktgefühl und der richtigen Dosis Ernsthaftigkeit zelebriert. Dabei wurde nicht über Verträge gesprochen – sondern über Familie, Herkunft, Werte. Es ging um persönliche Verankerung. Rückblickend war das ein Soft-Screening: Wer bist du wirklich? Kann man mit dir langfristig arbeiten?

 

Solche Abende folgen Regeln, die sich nicht sofort erschließen – und genau deshalb sind sie so wertvoll. Sie sind kein Nebenschauplatz, sondern Kern des Beziehungsaufbaus.

 

Peking: Zwischen Verhandlung und Opernloge

In der Hauptstadt war der Ton geschäftlicher – aber nicht weniger vielschichtig. Die Meetings mit unseren chinesischen Partnern waren gut vorbereitet, strukturiert – aber nie kalt oder rein sachlich. Es wurde durchaus erwartet, dass man zwischen den Zeilen liest.

Zwischen zwei Meetingtagen stand ein gemeinsamer Besuch in der Pekingoper auf dem Programm. Für europäische Teilnehmer vielleicht überraschend – für unsere Gastgeber ein bewusst gesetztes Signal: Wir zeigen euch, was uns prägt.

Gesprächspartner hören erst einmal aufmerksam zu. Direkte Konfrontation wird vermieden, Einwände kommen subtil. Es zählt, wie etwas gesagt wird – nicht nur was.

Die Kunst besteht darin, Pausen auszuhalten. Schweigen ist kein Desinteresse – es ist Teil des Dialogs.

 

Shanghai: Business-Speed mit kulturellem Takt

Shanghai wirkte im Kontrast fast wie eine Parallelwelt: urban, international, effizient. Und doch galt auch hier: Wer zu schnell zum Punkt kam, übersah wichtige kulturelle Erwartungen.

Die Meetings waren temporeich, auf Augenhöhe – aber es gab klare implizite Codes:

  • Die Einladung ins Restaurant hatte strategischen Charakter.
  • Die Reihenfolge der Wortbeiträge spiegelte Rang und Einfluss wider.
  • Und auch hier: Guanxi – Beziehungen – wurden nicht als „Networking“ verstanden, sondern als langfristiges Geflecht gegenseitiger Verpflichtungen.

Westliche Kulturen setzen oft zu stark auf Vertragslogik setzen, während in China Vertrauen Vorrang hat. Der Vertrag ist nur ein Startpunkt – nicht die Absicherung.

 

Hongkong: Internationaler Takt, lokale Tiefe

Hongkong fühlte sich anders an – dynamischer, westlicher, fast vertraut. Doch auch hier gab es feine kulturelle Unterschiede: Zwar war Englisch die Geschäftssprache, doch der kulturelle Takt blieb asiatisch geprägt.

Effizienz und Höflichkeit standen nicht im Widerspruch – sondern waren zwei Seiten derselben Medaille. Wer ungeduldig wurde, wurde schnell als unsensibel wahrgenommen.

 

Fünf persönliche Erkenntnisse:

  • Beziehungen vor Transaktionen. Ohne Guanxi kein Geschäft – jedenfalls keines mit Substanz.
  • Geduld ist ein Investment. Wer erwartet, dass nach dem Pitch direkt unterschrieben wird, hat das Spiel nicht verstanden.
  • Etikette ist Inhalt. Ob beim Dinner oder im Meeting – Form und Botschaft sind untrennbar.
  • Schweigen ist Kommunikation. Reaktive Kulturen antworten nicht sofort – sie beobachten, analysieren, wägen ab.
  • Anpassung ist keine Anbiederung. Wer sich respektvoll auf den kulturellen Kontext einlässt, gewinnt.

 

Fazit:

China hat mich nicht nur als Markt beeindruckt – sondern als Erlebnisraum.
Zwischen der Geduld eines Provinzdinners und der Präzision einer Shanghaier Präsentation liegt eine Welt kultureller Komplexität. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, entdeckt mehr als einen Absatzmarkt – er entdeckt eine andere Art des Denkens in Geschäftsbeziehungen.

Und vielleicht ist genau das die eigentliche Kunst im internationalen Business:
Nicht nur verkaufen zu wollen, sondern zu verstehen, warum und wie jemand kauft.

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