Business mit Russland: Vertrauen vor Verträgen.
Sven von Bismarck, 06. Juni 2025
Russland war für mich lange ein weißer Fleck auf der Business-Landkarte – bis ich im Rahmen eines paneuropäischen Gemeinschaftsprojekts die Gelegenheit bekam, einen russischen Staatsbetrieb zu beraten. Was als professionelles Mandat begann, wurde schnell zu einer Reise durch politische Realitäten, kulturelle Unterschiede – und überraschend persönliche Beziehungen.
- Der erste Kontakt: Neutraler Boden, viele Interessen
Unsere ersten Meetings fanden in London statt – ein neutraler Ort, der sich bewährt hat, wenn mehrere Nationen am Tisch sitzen. Auf russischer Seite war man zurückhaltend, aber aufmerksam. Es ging nicht darum, sofort Ergebnisse zu präsentieren, sondern Haltung zu zeigen: Wer bist du? Wofür stehst du? Und – bist du vertrauenswürdig?
Schon hier wurde deutlich: In Russland zählen nicht nur Kompetenzen. Es zählt, wie du auftrittst, ob du verlässlich bist – und ob du bereit bist, zuzuhören.
- Einladungen nach Moskau: Die Beziehung vertieft sich
Erst nach einigen Treffen in London kam die Einladung nach Moskau – ein klares Zeichen: Man will dich besser kennenlernen. Was mich dort erwartete, hatte wenig mit der oft zitierten „russischen Härte“ zu tun. Es war vielmehr eine Form von Gastfreundschaft, die ich so nicht kannte: großzügig, offen, aber auch testend.
Russische Geschäftspartner wollen wissen, ob du „echt“ bist. Ob du auch außerhalb des Meetingraums Haltung zeigst. Wer sich auf diese Kultur einlässt, wird belohnt – mit einer Beziehung, die weit über das Geschäftliche hinausgeht.
- Beziehungen statt Prozesse: Warum Vertrauen alles ist
In Deutschland setzen wir gern auf Prozesse, Strukturen, Verträge. In Russland läuft vieles informeller – aber keineswegs unprofessionell. Entscheidend ist, ob man sich aufeinander verlassen kann. Ohne diese persönliche Basis wären viele Themen gar nicht verhandelbar gewesen.
Aus den gemeinsamen Abenden, Spaziergängen und Gesprächen – fernab vom Protokoll – sind echte Beziehungen entstanden. Und diese haben oft mehr bewegt als jedes offizielle Schreiben.
- Wenn Kultur auf Politik trifft
Spannend wurde es, als das Projekt auf politischer Ebene weiterlief: Ministerien, diplomatische Kanäle, nationale Interessen. Hier ging es nicht mehr nur um Technik oder Strategie – sondern um das große Ganze. Die russische Seite agierte strategisch, manchmal überraschend direkt, aber immer mit klarem Ziel.
Wer vorbereitet war, wurde gehört. Wer nur präsent sein wollte, wurde übersehen.
Was ich aus der Erfahrung mitnehme:
- Beziehungen zählen mehr als Prozesse. Ohne persönliches Vertrauen geht in Russland nichts.
- Verlässlichkeit zeigt sich im Kleinen. Rückrufe, Zusagen, Pünktlichkeit – sie machen den Unterschied.
- Kulturverständnis ist kein Nice-to-have. Wer russisches Verhalten falsch interpretiert, verliert schnell an Boden.
- Geduld und Präsenz sind entscheidend. Die Dinge dauern – aber wenn sie ins Rollen kommen, dann richtig.
Fazit:
Business mit Russland ist fordernd – und faszinierend. Es verlangt Geduld, Respekt und die Bereitschaft, sich auf ein anderes Tempo und eine andere Logik einzulassen. Für mich war es eine der prägendsten Erfahrungen meiner Karriere. Nicht nur wegen der politischen Komplexität – sondern wegen der Menschen, die mir dort begegnet sind.